Ist Indien für Touristinnen gefährlich?
„Ist Indien gefährlich, zu gefährlich, um als allein reisende Frau unterwegs zu sein?“ Diese Frage stellte ich mir Ende letzten Jahres. Egal, wo man zu diesem Thema im Internet recherchiert, überwiegen die eher kritischen Stimmen. Auch meine beste Freundin jammerte: “Nee, fahr da bloß nicht hin, ich hab’s meiner Mutter erzählt und die hat auch nur die Hände über‘m Kopf zusammengeschlagen“.
Zu präsent ist vielen die grauenvolle Geschichte der 23- jährigen indischen Studentin Jyoti Singh Pandey. Sie wurde am 16. Dezember 2012 in einem Bus in Indiens Hauptstadt Delhi von sechs Männern als Gruppe auf schreckliche Art und Weise vergewaltigt. Aufgrund der Misshandlungen sowie schwerster innerer Verletzungen verstarb sie kurz nach dem Erwachen aus dem Koma am 29. Dezember 2012.
Die Rate der Vergewaltigungen hat sich in Indien in den letzten vier Jahren angeblich verdreifacht. Zugleich kann man aber auch in Vergleichsstatistiken lesen, dass die Rate der Vergewaltigungen im Vergleich zu den Einwohnerzahlen hierzulande statistisch höher ist als in Indien.
Statistik hin, Statistik her, mir war schnell klar, Indien ja, aber nicht alleine, sondern nur innerhalb einer Gruppe. Zum einen natürlich aus meinem eigenen Sicherheitsgefühl heraus, zum anderen weil ich ein aufgeschlossener Typ bin und eine Gruppe dann ideal ist, um leichter andere Reisende, aber auch Land und Leute unmittelbar kennenzulernen.
Ein lokaler Reiseleiter führt seine Gäste nicht nur durch die Reise und klärt nicht nur über Ge- und Verbote auf, sondern meidet allein schon aus Eigeninteresse gefährliche Orte.
Nicht nur, dass reich neben bettelarm wohnt, hinsichtlich Geleichberechtigung von Mann und Frau in der indischen Gesellschaft, hat Indien indes noch einen weiten Weg vor sich.
Die Alphabetisierungsrate der Frauen liegt knapp 20 % unter der der Männer.
Der Fluss Ganges wird als „Mama Ganga“ verehrt. In Indien haben die Flüsse alle weibliche Namen.
Trotzdem stellt Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat dar. Weibliche Föten werden nach wie vor abgetrieben, weil Jungs als wertvoller angesehen werden.
90 % der Ehen in Indien sind arrangierte Ehen. Immer wieder hört man, dass Frauen angeblich von Ihrer eigenen Familie verbrannt wurden, da sie drohten sich scheiden zu lassen. Schwiegermütter behandeln ihre Schwiegertöchter oft wie Sklavinnen.
In zunehmender Weise stoßen aber immer mehr Frauen in höhere Jobpositionen vor und versuchen mehr Selbstbestimmung zu erlangen.
Nicht nur aus Vorfreude auf mein angestrebtes Reiseziel, sondern weil ich immer wissen will, was mich vor Ort erwarten könnte bzw. worauf man im Land seiner Wahl achten sollte, schmökere ich regelmäßig in Reiseführern und informiere mich auf der Homepage des Auswärtigen Amtes.
Die dort formulierten Reise- und Sicherheitshinweise sollte man länderunabhängig immer lesen.
Die Terrorgefahr ist in Indien extrem hoch. Im armen Norden - dort leben ca. 40 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze - ist das Risiko höher als in den touristisch erschlossenen Gegenden im Süden.
Reisen in die Kashmirregion (inkl. Srinagar) wie auch in die Grenzregion zu Pakistan sollte man aufgrund der langjährigen anhaltenden politischen Spannungen unterlassen. In manche Gebiete sind Touristenreisen grundsätzlich verboten. Aufgrund wirtschaftlicher Spannungen und sozialer Gegensätze kann sich die Sicherheitslage jederzeit ändern.Massenansammlungen sollte man meiden. Dazu zählen religiöse Stätten, Märkte Sehenswürdigkeiten etc.
Dazu muss ich aus eigener Erfahrung meiner dann im Mai 2016 tatsächlich angetretenen Reise schmunzelnd folgendes anmerken: Massenansammlungen lassen sich in Indien – allein aufgrund der Bevölkerungsdichte - schlichtweg nicht vermeiden!
Als Tourist möchte man in Indien natürlich die Sehenswürdigkeiten wie das Rote Fort in Dehli, die Mehrangarh Festung in der „blauen“Stadt Jodhpur, den Stadtpalast und den Palast der Winde sowie das Observatorium Jantar Mantar in der rosaroten Stadt Jaipur sehen, um nur einige der Attraktionen auf meiner Rundreise aufzuzählen. Dort sind immer viele Menschen!
Höhepunkt meiner Nordindienreise war natürlich „das atemberaubende Monument der Liebe“ wie das Taj Mahal in Agra auch genannt wird. Mongulenkaiser Shah Jahan ließ es seiner Lieblingsfrau Mumatz Mahal, welche bei der Geburt des 14. Kindes starb, als Mausoleum errichten. Dorthin sollte man tatsächlich morgens um 6.00 Uhr mit Sonnenaufgang fahren, denn ab ca. 9:00 Uhr drängen sich da die Menschen, Pilger wie Touristen.
In der ca. 230 km nördlich von Delhi am Fußes des Himalaya gelegenen Yoga- und Meditionsstätte Rishikesh sowie dem ca. 25 km entfernten Haidwar ließ ich mich von der spirituellen Atmosphäre um den Ganges und die abendlichen religiösen Gottesdienstzeremonien betören.
Unabhängig vom Wetter wird dem Fluss in der Abenddämmerung täglich ein rituelles Feueropfer dargebracht. Hierbei werden ein kleines Licht und einige Blüten auf ein Schiffchen aus Kokosnussblättern gesetzt und der Göttin Ganga geopfert. Außerdem versammeln sich die Menschen, um ein Bad im heiligen Fluss zu nehmen. Auch den auf einem Hügel gelegenen Mansa Devi Mandir-Tempel muss ein gläubiger Hindu in Laufe seines Lebens einmal besucht haben.
So viele Inder an einem Fleck wie dort habe ich in meinem Leben noch nie gesehen!
Für einen Moment hatte man schon ein mulmiges Gefühl. An mögliche Terroranschläge wie aktuell wieder im August 2016 auf einen Markt in der Nähe von Kokraihar (Assam) darf man nicht denken. Abgesehen davon finden Attentate inzwischen auch schon vor der eigenen Haustüre statt. Wo also ist man dann überhaupt noch sicher? Wo ist es nicht gefährlich oder weniger gefährlich?
Ich persönlich habe während meiner 16 - tägigen Rundreise nur positive Erfahrungen in Indien sammeln dürfen. Angst brauchte ich keine zu haben. Natürlich habe ich Augen und Ohren offengehalten, trotz des gewissen internen Schutzes den man bei einer Gruppenreise genießt. Aber aufpassen sollte man meiner Ansicht nach, in anderen Ländern genauso. Das hat jetzt nichts speziell mit Indien zu tun.
Wer auf seine Intuition achtet, ein gewisses Fingerspitzengefühl Mensch, Land, Kultur und deren Mentalität gegenüber entgegenbringt, sich über die aktuelle Lage frühzeitig informiert, für ausreichenden Impfschutz sorgt und nach folgend exemplarisch aufgeführte Regeln einhält, für den muss Indien keine Gefahr darstellen:
Für mich als Fotografin ist Indien– immer unter dem Blickwinkel Respekt vor Sensation – ein farbenfrohes und mannigfaltiges Land. Mit deren außerordentlicher Gastfreundlichkeit, dem immer währenden warmen Lächeln auf den Lippen wie auch dem sehr schmackhaften Essen haben mich diese Menschen in Ihren Bann gezogen.
Ich hatte nie ein Problem damit, wenn ich neugierig gefragt wurde, wo ich herkomme.
Wurde ich gefragt, ob sie ein Foto von einem machen dürften oder ob man sich gar mit auf ein Familienbild stellen könnte, war ich gerne dazu bereit. Ich nutzte oftmals diese Gelegenheit, um im Gegenzug auch schöne Fotos „schießen“ zu dürfen. Diese immer positiven Begegnungen werden mir ewig in guter Erinnerung bleiben.
Nach dem Motto „Wer Indien kennenlernt, hasst es oder liebt es“, werde ich definitiv wieder kommen.
Meine nächste Allein-Reise ohne Familie, aber wieder als Gruppenreise, ist schon für Mitte April 2017 geplant. Ich bin schon voller Erwartung und Vorfreude darauf, was der Süden Indiens zu bieten hat. Meiner Freundin habe ich empfohlen, doch einfach mal mitzukommen. Sie überlegt noch.